Aktuelle Entwicklungen bei ESG-Pflichten in der EU: Omnibus-Verordnung und EU-Entwaldungsverordnung
Aktuelle Entwicklungen bei ESG-Pflichten in der EU: Omnibus-Verordnung und EU-Entwaldungsverordnung
In der EU lässt das neue Jahr einerseits auf Entlastungen bei den ESG-Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten hoffen (unten I.). Andererseits wird die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)[1] für viele Unternehmen neuen Aufwand begründen (unten II.).
Zum Jahreswechsel zeichnen sich auf EU-Ebene wichtige Entwicklungen im Bereich der ESG-Berichts- und Offenlegungspflichten ab.
Nachdem der Europäische Rat eine „revolutionäre“ Vereinfachung der ESG-Berichtspflichten um mindestens 25 Prozent gefordert hatte[2], kündigte die EU-Kommission den Entwurf einer sogenannten „Omnibus“-Verordnung zur Vereinheitlichung der Berichtspflichten der CSRD[3] (MoFo-Client Alert), CSDDD[4] (MoFo-Client Alert) und EU-Taxonomieverordnung[5] an.[6] Eine Omnibus-Verordnung würde Änderungsanliegen betreffend dieser Regelungsbereiche in einem Rechtsakt vereinen. Einen Entwurf des „Omnibus simplification package“ hat die EU-Kommission für Ende Februar 2025 angekündigt.[7]
Darüber hinaus wird die EU-Kommission die ESG-Offenlegungspflichten gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation („SFDR“) überarbeiten.[8] Zu erwarten steht ferner, dass die Verhandlungen über die Richtlinie über Umweltaussagen (Green-Claims-Directive) und bezüglich der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (Waste-Framework Directive) im Laufe des Jahres 2025 zum Abschluss kommen werden.
Die EUDR wird zum 30. Dezember 2025 anwendbar sein.[9]
Mit der EUDR verfolgt die EU das Ziel, die Entwaldung weltweit zu minimieren. Dies soll dadurch geschehen, dass die Rohstoffe Rind, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz („relevante Rohstoffe“) bzw. daraus hergestellte Produkte („relevante Erzeugnisse) in die EU nur eingeführt bzw. ausgeführt werden dürfen, wenn sie entwaldungsfrei und unter Beachtung lokaler Rechtsvorschriften gewonnen wurden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass mit der Gewinnung der relevanten Rohstoffe häufig eine unumkehrbare Entwaldung großer Gebiete einhergeht, die sich negativ auf das Klima, die Biodiversität und die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung auswirkt. Um dem vorzubeugen, verpflichtet die EUDR Erzeuger und Händler, Informationen über den Ursprung der relevanten Rohstoffe und relevanten Erzeugnisse zu sammeln, diese zu prüfen und einmal im Jahr zu veröffentlichen. Die Anforderungen sind hoch: Rohstoffe und Erzeugnisse müssen bis zur Region der Erzeugung zurückverfolgt werden. Eine Bagatellgrenze in Bezug auf Menge und Wert ist nicht vorgesehen. Für kleine Unternehmen gelten besondere Regelungen, die Belastungen vermindern sollen. Bei Verstößen gegen die EUDR drohen Sanktionen von vier Prozent des unionsweiten Jahresumsatzes, ein Handelsverbot sowie die Einziehung der entsprechenden Produkte.
Im Einzelnen:
Die EUDR ist produktbezogen. In ihren Anwendungsbereich fallen die genannten relevanten Rohstoffe und die in Anhang I EUDR[10] gelisteten relevanten Erzeugnisse. Dies sind beispielsweise Lederhandschuhe, Rindfleisch, Holzkohle, Sojabohnenmehl, Bücher oder Schokolade. Diese Rohstoffe oder Erzeugnisse dürfen in die EU nur ein- oder von dort ausgeführt werden, wenn die Anforderungen der EUDR eingehalten werden. Unternehmen können ihre Produktpalette mit Anhang I abgleichen, um zu überprüfen, welche ihrer Produkte betroffen sind.
Die Verordnung richtet sich an Unternehmen und natürliche Personen, die die relevanten Rohstoffe bzw. relevante Erzeugnisse in die EU einführen, dort vertreiben oder von dort ausführen. Dies gilt unabhängig von der Größe und Umsatz des Unternehmens. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gibt es jedoch Erleichterungen (siehe unten 9.). Die EUDR unterscheidet zwischen Marktteilnehmern und Händlern. Diese treffen grundsätzlich die gleichen Pflichten, Art. 5 (1) EUDR[11]. Wer ein relevantes Produkt gewerblich erstmalig in den EU-Markt ein- oder ausführt, ist Marktteilnehmer im Sinne der EUDR. Händler ist, wer ein bereits auf den EU-Markt bereitgestelltes Erzeugnis auf dem Unionsmarkt wiederholt und unverändert bereitstellt. Aufgrund des produktbezogenen Ansatzes kann dasselbe Unternehmen bei unterschiedlichen Produkten sowohl Markteilnehmer als auch Händler sein.
Nicht-EU-Unternehmen sind - jedenfalls mittelbar - von der EUDR betroffen, wenn sie einen relevanten Rohstoff oder ein relevantes Erzeugnis in den Unionsmarkt einführen wollen und die Einfuhr behördlich untersagt wird (vgl. Art. 7).
Die EUDR ist grundsätzlich ab 30. Dezember 2025 zu befolgen.[12] Auch wenn bis zu diesem Stichtag noch etwas Zeit verbleibt, sollten Unternehmen vor dem Hintergrund der Sanktionsrisiken prüfen, ob sie bzw. ihre Produkte in den Anwendungsbereich der EUDR fallen und ihre Prozesse auf die neuen Vorgaben ausrichten. Vorgelagerte Lieferketten werden zu prüfen sein. Zulieferer werden über die neuen Anforderungen zu instruieren sein, um die umfassenden Dokumentations- und Nachweispflichten erfüllen zu können. In vielen Fällen dürfte eine Anpassung von Einkaufs- und Qualitätssicherungsprozessen erforderlich werden.
Für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen gilt die EUDR erst ab 30. Juni 2026.[13] Kleinstunternehmen sind solche, die am Bilanzstichtag die Grenzen von mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale erfüllen: (i) 450.000 Euro Bilanzsumme, (ii) 900.000 Euro Nettoumsatzerlöse, (iii) zehn Beschäftigte; für kleine Unternehmen sind die maßgeblichen Schwellenwerte: (i) 5 Mio. Euro Bilanzsumme, (ii) 10 Mio. Euro Nettoumsatzerlöse, (iii) fünfzig Beschäftigte. Mitgliedstaaten können höhere Schwellenwerte bestimmen.[14]
Für Produkte, die vor dem 30. Dezember 2025 produziert wurden, gilt die EUDR nicht. Für Holzprodukte bleiben vorübergehend die Vorschriften der Holzhandelsverordnung (EUTR, Verordnung (EU) 995/2010) maßgeblich.
Relevante Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen gemäß Art. 3 nur dann in die EU ein- oder ausgeführt bzw. in der EU vertrieben werden, wenn sie
Fehlt eine dieser Voraussetzungen oder ist sie nicht nachweisbar, darf das entsprechende Erzeugnis nicht auf dem EU-Markt gehandelt werden.
4.1 Was bedeutet entwaldungsfrei?
Relevante Rohstoffe dürfen nicht auf Flächen erzeugt worden sein, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet, also in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt wurden, Art. 2 Nr. 13. Zudem darf aus Wäldern geschlagenes Holz nicht zur Waldschädigung geführt haben.
4.2 Welche Vorschriften der Herkunftsländer sind zu beachten?
Die Vorschriften sind in Art. 2 Nr. 40 definiert. Umfasst sind u.a. Vorschriften zum Umweltschutz, zur Landnutzung, zur Korruptionsbekämpfung sowie Menschen- und Arbeitnehmerrechte. In Bezug auf indigene Völker ist außerdem der Grundsatz der freiwilligen und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung (the principle of free, prior and informed consent — FPIC) zu wahren.
4.3 Was wird in der Sorgfaltserklärung angegeben?
Mit der Sorgfaltserklärung wird die Einhaltung der Sorgfaltspflicht (siehe 5.) bescheinigt. Die erforderlichen Angaben sind in Anhang II aufgelistet.
In der Sorgfaltserklärung übernimmt das Unternehmen die Verantwortung dafür, dass die relevanten Erzeugnisse die Anforderungen der EUDR erfüllen. Die Sorgfaltserklärung wird an das EU-Informationssystem übermittelt, für das sich Unternehmen seit November 2024 registrieren können.[16] Mit der Abgabe der Sorgfaltserklärung erhalten die Unternehmen eine Referenznummer, die sie benötigen, um relevante Produkte in die EU einführen oder aus der EU ausführen zu können. Außerdem kann die zuständige nationale Behörde die Sorgfaltserklärung dort zu Kontrollzwecken einsehen.
Die EUDR begründet ein dreistufiges Sorgfaltspflichtenprogramm.
5.1 Informationssammlung, Art. 9
Über die Erzeugnisse sind relevante Informationen zu sammeln. Hierzu gehören Handelsname und Produktzusammensetzung, aber auch Angaben zur Geolokalisierung. Dafür ist die Lage aller Grundstücke zu ermitteln, auf denen Rohstoffe gewonnen werden. Weiterhin sind Nachweise über die Einhaltung der lokalen Rechtsvorschriften zu sammeln. Hierfür empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit den Zulieferern vor Ort.
5.2 Risikobewertung, Art. 10
Im nächsten Schritt ist anhand der gesammelten Informationen eine Risikobewertung zur Feststellung der Konformität der entsprechenden Erzeugnisse durchzuführen. Maßgebliche Kriterien werden sich aus dem von der EU-Kommission zu veröffentlichenden Benchmark-System der Herkunftsländer der relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse ergeben. Das Benchmark-System soll zwischen Ländern mit hohem, normalem und geringem Risiko unterscheiden. Entsprechend ihrer angekündigten Methodik zur Risikoeinordnung dürfte die EU-Kommission den meisten Ländern ein niedriges Risiko zuschreiben.[17] Weiter sind in Art. 10 (2) nicht abschließende Kriterien wie das Entwaldungs- oder Korruptionsrisiko im Erzeugerland genannt, die es bei der Risikobewertung zu berücksichtigen gilt. Unternehmen können bei der Risikobewertung Zertifizierungssysteme von externen Stellen verwenden.
5.3 Risikominderung, Art. 11
Nur falls die Risikobewertung zum Ergebnis kommt, dass die Erzeugnisse nicht mit den Vorschriften der EUDR konform sind bzw. ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dafür besteht, müssen Maßnahmen der Risikominderung ergriffen werden. Dazu können weitere Informationen angefragt oder Audits durchgeführt werden.
Für Rohstoffe und Erzeugnisse aus Ländern mit einem niedrigen Risikostatus gilt eine vereinfachte Sorgfaltspflicht. Angesichts der gewählten Benchmarkingmethode der EU könnte dies für eine Vielzahl an Ländern gelten. In diesem Fall müssen lediglich die Informationen zur Entwaldungsfreiheit gesammelt werden. Die Risikobewertung und -minderung entfallen hingegen, wenn keine Anhaltspunkte für die Nichtkonformität der Erzeugnisse bestehen.
Entlang der Lieferkette muss überprüft werden, ob für das vorgelagerte Erzeugnis die Sorgfaltspflicht eingehalten wurde, Art. 4 (9). Dafür kann es ausreichen eine eigene Sorgfaltserklärung abzugeben, in der auf die vorherige Sorgfaltserklärung des vorgelagerten Marktteilnehmers verwiesen wird. Marktteilnehmer und Händler, die auf eine vorgelagerte Sorgfaltserklärung verweisen, tragen aber weiterhin die Verantwortung dafür, dass das relevante Erzeugnis konform ist, Art. 4 (10).
Zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht müssen Markteilnehmer und Händler ein System zur Dokumentation, Auswertung, Verifizierung und Berichterstattung einführen und dieses jährlich überprüfen. Unternehmen müssen zudem jährlich öffentlich zugänglich und über das Internet abrufbar über die getroffenen Maßnahmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht berichten, Art. 12 (3). Der Bericht hat eine Übersicht zur Erfüllung der Kriterien aus Art. 3 sowie Schlussfolgerungen der Risikoprüfung und der ggf. ergriffenen Maßnahmen zur Risikominderung zu enthalten.
Unternehmen, die gemäß CSRD oder CSDDD berichten müssen, können die Berichterstattung nach der EUDR in diese Berichte integrieren. Dies befreit aber nicht von der grundsätzlichen Pflicht zur Berichterstattung. In Anbetracht der von der EU-Kommission angekündigten Omnibus-Verordnung (oben I.) sind auch hier Anpassungen zu erwarten.
Sind die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse bereits vollständig einer Sorgfaltspflichtuntersuchung unterzogen worden, dürfen KMU-Markteilnehmer auf die bestehende Sorgfaltserklärung verweisen und müssen sie nicht erneut überprüfen, Art. 4 (8). Unter KMU versteht die EUDR solche Unternehmen, die weder Kleinstunternehmen noch Großunternehmen im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU sind. Großunternehmen sind solche, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale überschreiten: (i) 25 Mio. Euro Bilanzsumme; (ii) 50 Mio. Euro Nettoumsatzerlöse, (iii) 250 Beschäftigte.
KMU-Händler müssen die oben genannte Sorgfaltspflicht (siehe 5.) nicht erfüllen. Sie haben lediglich relevante Informationen (Namen, Anschrift, Referenznummern der zugeordneten Sorgfaltserklärungen) des Lieferanten bzw. des Firmenkunden sammeln und für fünf Jahre speichern, Art. 5 (3, 4).
Danach gilt hinsichtlich der Pflichten Folgendes:
Als EU-Verordnung gilt die EUDR unmittelbar. Ihre Durchsetzung obliegt aber den Mitgliedsstaaten. In Deutschland wird voraussichtlich die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Überwachung der Einhaltung der EUDR-Vorgaben übernehmen. Die Kontrollen erfolgen risikobasiert und stichprobenartig.
Bei Verstößen drohen (i) Geldbußen (Höchstbetrag von mindestens 4 Prozent des unionsweiten Nettojahresumsatzes), (ii) Einziehung der betreffenden Produkte und Einnahmen, (iii) befristeter Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und (iv) ein vorübergehendes Verbot der jeweiligen Geschäftstätigkeit (Art. 25).
Darüber hinaus wird die EU-Kommission gegen Unternehmen ergangene Behördenentscheidungen unter Nennung der Firma, der Sanktion und des Verstoßes veröffentlichen.
Unternehmen sollten die kommenden Monate des Jahres 2025 nutzen, um sich mit den Vorgaben der EUDR vertraut zu machen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um die Entwaldungsfreiheit ihrer Produkte sicherzustellen. In Betracht kommen insbesondere folgende Maßnahmen:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Janik Meyer hat bei der Erstellung dieses Client Alert mitgewirkt
[2] Punkt 4 der Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit vom 8. November 2024
[3] Corporate Sustainability Reporting Directive, Richtlinie (EU) 2022/2464, siehe auch unseren Client Alert).
[4] Corporate Sustainability Due Diligence Directive, Richtlinie (EU) 2024/1760, siehe auch unseren Client Alert).
[6] Siehe dazu die Pressekonferenz der Kommission aus Budapest, Minute 28:25 bis 29:30.
[7] Siehe das Register der Dokumente der Kommission, „Tentative agenda for forthcoming Commission meeting”.
[8] https://finance.ec.europa.eu/publications/categorisation-products-under-sfdr-proposal-platform-sustainable-finance_en.
[9] https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/12/03/eu-deforestation-law-council-and-parliament-agree-on-its-targeted-amendment/.
[10] Im nachstehenden Text beziehen sich Verweise auf Anhänge stets auf die EUDR.
[11] Artikelbezeichnungen beziehen sich auf die EUDR.
[12] Siehe Verordnung 2024/3234 zur Änderung der EUDR hinsichtlich der Bestimmungen zum Geltungsbeginn.
[13] Siehe Verordnung 2024/3234 zur Änderung der EUDR hinsichtlich der Bestimmungen zum Geltungsbeginn.
[14] Die Schwellenwerte für Klein- und Kleinstunternehmen ergeben sich aus Richtlinie 2013/34/EU.
[15] Eigene Darstellung.
[16] https://eudr.webcloud.ec.europa.eu/tracesnt/login.
[17] Kommission verstärkt Unterstützung für die Umsetzung der EU-Verordnung über Entwaldung und schlägt als Reaktion auf Forderungen globaler Partner weitere 12 Monate für die Einführung vor.
[18] Eigene Darstellung.