Erleichterungen im Prospektregime
Der EU-Wiederaufbauprospekt – eine zeitlich befristete Chance für die erleichterte Ausgabe und Zulassung von Aktien
Erleichterungen im Prospektregime
Der EU-Wiederaufbauprospekt – eine zeitlich befristete Chance für die erleichterte Ausgabe und Zulassung von Aktien
Corona macht’s möglich! In Kürze soll es die Möglichkeit geben, Aktien auf der Basis eines stark verkürzten Prospekts („Wiederaufbauprospekt“, oder auch „Kurzprospekt“) anzubieten und/oder an der Börse zuzulassen. Diese Privilegierung ist auf 18 Monate befristet und soll Emittenten die Möglichkeit geben, schnell und kostengünstig Eigenkapital aufzunehmen und eine Verschuldung zu reduzieren.
Der Kurzprospekt ist aber auch für andere Gesellschaften interessant, wenn deren aktuelle Möglichkeiten der prospektfreien Aktienausgabe wegen der damit verbundenen Beschränkungen nicht ausreichen oder wenn sie diese Möglichkeit in den letzten 12 Monaten bereits ausgeschöpft haben.
Wir erläutern nachstehend, welche Voraussetzungen für die erleichterte Ausgabe und Zulassung erfüllt sein müssen und welche Möglichkeiten der Kurzprospekt bietet.
Der Kurzprospekt ist Teil des Europäischen Maßnahmenpakets zur Bewältigung der COVID-19-Krise. Das Paket enthält unter anderem die Anpassung der Prospektverordnung, durch die der Wiederaufbauprospekt eingeführt werden soll. Dieser soll (i) leicht zu erstellen, (ii) leicht zu lesen und (iii) leicht zu prüfen sein. Die Kommission verspricht sich davon Erleichterungen und Kostenersparnisse für börsennotierte Unternehmen.
Der Kurzprospekt soll sich auf einen stark reduzierten Mindestinhalt beschränken. Die gelockerten Prospektvorschriften sollen es den Unternehmen ermöglichen, leichter Kapitalanteile auszugeben und so das Verhältnis zwischen Schulden und Eigenkapital zugunsten des Eigenkapitals zu verschieben.
Der Kurzprospekt hat gegenüber dem sonst üblichen Prospekt einen stark gekürzten Mindestinhalt. Er darf insgesamt nicht mehr als 30 Seiten umfassen. Zusätzlich soll das Billigungsverfahren beschleunigt werden. Damit sollen Zeit- und Kostenaufwand reduziert werden.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen ist eine mindestens 18-monatige Notierung an einem regulierten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt. Die Erleichterungen gelten also nur für Sekundäremissionen, nicht aber für einen IPO.
Für in Deutschland gelistete Unternehmen bedeutet das, dass alle Gesellschaften, die im General Standard oder im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse oder im regulierten Markt einer anderen deutschen Börse notiert sind, die Erleichterungen in Anspruch nehmen können. Zusätzlich gilt dies auch für Gesellschaften, die im Segment Scale des Freiverkehrs der Frankfurter Wertpapierbörse notiert sind, da dieses Segment als ein KMU-Wachstumsmarkt registriert ist.
Die Erleichterungen können damit nicht von Unternehmen genutzt werden, die lediglich im Freiverkehr einer Börse gelistet sind. Das betrifft beispielsweise den Open Market der Frankfurter Wertpapierbörse, aber auch den m:access der Börse München.
Die Erleichterungen sind zeitlich begrenzt und können nur 18 Monate ab Inkrafttreten der Regelungen in Anspruch genommen werden. Wir rechnen mit einem Inkrafttreten noch vor Ende des Jahres 2020.
Kapitalmaßnahmen
Der Wiederaufbauprospekt kann für das öffentliche Angebot und die Zulassung von Aktien verwendet werden. Das betrifft zum einen die Durchführung von Bezugsrechtskapitalerhöhungen mit anschließender Zulassung der ausgegebenen Bezugsaktien. Daneben kommen aber auch Privatplatzierungen oder Sachkapitalerhöhungen in Betracht, wobei der Kurzprospekt dann nur für die Zulassung der neuen Aktien benötigt wird.
Ob der Kurzprospekt darüber hinaus auch für die bloße Zulassung von bereits in der Vergangenheit ausgegebenen Aktien verwendet werden kann, ist noch nicht geklärt. Dem Wortlaut nach scheint dies möglich. Nach Sinn und Zweck der Verordnung wäre dies aber eher fraglich, da auf diese Weise kein neues Eigenkapital eingeworben wird. Hier wird abzuwarten bleiben, welche Position die Zulassungsstellen der Börsen einnehmen.
Ausgabe und Zulassung von fungiblen Aktien
Der Kurzprospekt kann nur für Aktien und nicht auch für die Ausgabe oder Zulassung von Anleihen oder Wandelschuldverschreibungen verwendet werden. Hintergrund ist, dass die Erleichterungen der Verbesserung des Verhältnisses von Eigenkapital zu Fremdkapital dienen sollen. Die weitere Aufnahme von Fremdkapital über die Kapitalmärkte soll damit nicht gefördert werden.
Die neu auszugebenden Aktien müssen mit den bereits zugelassenen Aktien fungibel sein. Das bedeutet beispielsweise, dass mit dem Kurzprospekt keine Vorzugsaktien ausgegeben werden können, wenn es bislang nur Stammaktien gibt. Zu klären wird sein, ob die Voraussetzung der Fungibilität auch verlangt, dass die Aktien die gleiche Gewinnberechtigung haben müssen, was bei einer Kapitalerhöhung vor der ordentlichen Hauptversammlung mitunter schwierig sein kann.
Die Verwendung des Kurzprospekts wird immer dann in Betracht kommen, wenn die bereits vorhandenen Möglichkeiten einer prospektfreien Kapitalmaßnahme nicht ausreichen oder bereits in Anspruch genommen wurden. Dabei ist zwischen dem Prospekterfordernis (i) wegen der Durchführung eines öffentlichen Angebots und (ii) wegen der Zulassung von Aktien zu unterscheiden.
Ausgabe von Aktien
Der Kurzprospekt kann für Bezugsrechtskapitalerhöhungen mit einem Emissionserlös von mehr als EUR 8 Mio. verwendet werden. Er kann aber auch für Bezugsrechtskapitalerhöhungen mit einem Emissionserlös von weniger EUR 8 Mio. sinnvoll sein, um nach Auslaufen der Regelungen für den Kurzprospekt sofort wieder die Möglichkeit der prospektfreien Kapitalerhöhung nutzen zu können.
Zulassung von Aktien
In gleicher Weise kann ein Kurzprospekt für die Zulassung von neuen Aktien im Umfang von mehr als 20% des zugelassenen Grundkapitals verwendet werden, aber auch für die Zulassung von weniger als 20%, um dann nach Ablauf der Kurzprospektregelung sofort wieder prospektfrei Aktien zulassen zu können.
Der Kurzprospekt hat eine Zusammenfassung von maximal zwei Seiten zu enthalten (bisher maximal 15 Seiten). Die Zusammenfassung ist in vier Abschnitte zu gliedern:
Die weiteren Mindestangaben des Wiederaufbauprospekts werden in einem neuen Anhang Va der Prospektverordnung aufgelistet.
Damit entfällt die Notwendigkeit von Tabellen zur Kapitalisierung und Verschuldung (sog. Cap Tables), die wegen der zu beachtenden 90-Tage-Frist regelmäßig Probleme hinsichtlich des Timings von Prospekten gebracht haben. Die Angaben in den Tabellen dürfen nämlich gemäß Prospektverordnung maximal 90 Tage alt sein, was für die Buchhaltung vieler mittelgroßer Unternehmen eine Herausforderung sein kann, sofern wegen der Prospekt-Timeline nicht auf Zahlen aus der laufenden Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsberichterstattung zurückgegriffen werden kann.
Die Billigung des Prospekts soll auf fünf Arbeitstage verkürzt werden. Die Möglichkeit, das Billigungsverfahren in mehreren Runden durchzuführen, bleibt jedoch erhalten, so dass von Ersteinreichung bis Billigung in der Regel wohl mehr als fünf Arbeitstage vergehen dürften.
Für den Wiederaufbauprospekt kann der Mechanismus des Europäischen Passes genutzt werden, was bedeutet, dass Anleger aus der gesamten EU diese Unternehmen finanzieren können. Die Nutzung des Kurzprospekts ist daher nicht auf Deutschland beschränkt.
Die geplanten Erleichterungen sollen bis Jahresende in Kraft treten. Vorher müssen noch das Europaparlament und der EU-Finanzministerrat zustimmen. Sobald die neuen Vorgaben angenommen und in Kraft getreten sind, gelten diese unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diesem Vorschlag der Europäischen Kommission ohne Änderungen zugestimmt wird.